


Über 120 Tote und Hunderte von Verletzten hat dieser barbarische Anschlag gefordert.
Jeder Tote war ein Mensch, mit Hoffnungen und Plänen, und dem gleichen Recht auf Leben, Glück und Heimat, wie wir es für uns selbstverständlich in Anspruch nehmen. Wir sind entsetzt! Unsere Anteilnahme gilt den Angehörigen und den Mensch in Frankreich.
In der Gedenkstunde die am Gedenkstein für die „Opfer des Nationalsozialismus“ stattfand nahmen neben dem Bürgermeister auch viele Schöninger Bürgerinnen und Bürger teil.
„In dieser Woche, am Montag, war der 09. November. Der 9. November ist kein gewöhnlicher Tag, er wird es nicht werden, zumindest nicht auf absehbarer Zeit. Zu gewichtig die Ereignisse, die im Lauf der Jahre auf diesen Tag fielen. Egal ob Novemberrevolution von 1918, das Pogrom gegen deutsche Juden im Jahr 1938 oder der Mauerfall von 1989, immer bedeutete der 9. November eine massive Zäsur, im Guten wie im schlechten. Es ist ein Schicksalstag der deutschen Geschichte. „Gegen das Vergessen“!
Der Gedenkstein für die „Opfer des Nationalsozialismus“ war fast in Vergessenheit geraten. Darum wurde er auch auf Anregung von Bürgern umgesetzt und steht jetzt wieder vor dem Rathaus dort wo das Hotel „Der schwarze Adler“ stand.
Siegfried Pause sprach so dann über die Bedeutung dieses Gedenksteins.
Siebzig Jahre nach Kriegsende, siebzig Jahre nach den Exzessen und Verfolgungen der Sozialdemokraten und Kommunisten in Schöningen. Der Terror des braunen Mobs ging mit aller Brutalität gegen Andersdenkende vor.
Im „roten“ Schöningen hatte die Arbeiterpartei SPD großen Einfluss. Die Nazis reagierten zunehmend mit Repressionen und Terror. So wurden am 03.März 1933 die Druckapparate für die KPD-Zeitung „Der rote Sender“ beschlagnahmt, und 11 Kommunisten verhaftet, unter ihnen die beiden Stadtverordneten Bruno Jankowski und Fritz Schreiber. Auf dem Marktplatz verbrannten Nazis am 10. März 1933 die Fahnen der Weimarer Republik und der SPD. Die Redaktionsräume der SPD-Zeitung „Tagespost“ wurden am 11.März 1933 von SA und Hilfspolizei besetzt. Das Gewerkschaftshaus in der Salzstraße wurde ebenfalls besetzt. Der Rektor der „Weltlichen Schule“, Neddermeyer (SPD), wurde während des Unterrichts von SA abgeholt und die Treppe heruntergeworfen. Der Sozialdemokrat Otto Weferling wurde von SA-Leuten, die seine Bücher verbrannten, in den Tod getrieben. Der Sozialdemokrat Drösemeyer, beschäftigt bei der Ortskrankenkasse, erhängte sich in der Untersuchungshaft, nachdem er unter dem nicht belegten Vorwurf der Unterschlagung verhaftet wurde. Der „Schwarze Adler“ war das Parteilokal der Schöninger NSDAP. In der Kegelbahn wurden Schöninger Gegner des Nationalsozialismus, unter ihnen viele Sozialdemokraten, so auch Otto Koch, gefoltert. Trotz des Terrors gaben die Schöninger weiterhin die Zeitung „Der rote Sender“ heraus. Bereits im Oktober 1930 wurde Kurt Heinemann mit weiteren 15 Schöningern verhaftet und zu einer Gefängnisstrafe verurteilt, weil sie den Abbruch einer SA-Versammlung in Schöningen erzwungen hatten. Anfang 1933 wurde Kurt Heinemann wieder festgenommen und in die SA-Folterstätte in Braunschweig, dem AOK-Gebäude, gebracht. Am 04. Juli 1933 wurde Kurt Heinemann zusammen mit zehn weiteren Gegnern der Nazis in Rieseberg ermordet.
Dieses alles geschah in Schöningen.
Siegfried Pause formuliert es so:“ Trotz Kälte befinden wir uns in dieser Stunde am richtigen Ort, denn dieser Stein soll auch ein Stein des Anstoßes sein. Er soll unser Gewissen anstoßen und uns vor Vergesslichkeit und Oberflächlichkeit in der Beurteilung der Geschichte bewahren. Er soll und kann uns ein Anstoß sein, nicht nachzulassen in unserem Bemühen, für die freiheitlichen und demokratischen Rechte unseres Gemeinwesen einzustehen und sie zu bewahren.“
Abschließend betonte Rolf-Dieter Backhauß:
Die Lehren aus der Vergangenheit zu ziehen- das ist das Vermächtnis der Toten. Wer nicht aus der Vergangenheit lernt, ist verdammt, sie erneut zu durchleben. Kriege und Bürgerkriege, Terror und Gewalttätigkeit in unseren Tagen wie auch während der letzte Jahrzehnte zeigen, dass viele Menschen nicht bereit oder fähig sind, diese Einsicht zu teilen. Umso mehr sind wir aufgerufen, immer wieder aufs Neue für Toleranz, Verständnis und vernünftige Konfliktlösungen zu werben. Demokratie braucht Demokraten.
Heute wie damals.
Mit der Niederlegung eines Blumengestecks und einer Gendenkminute fand die Gedenkstunde ihren Abschluss.
Sonnabend, 14. November 2015, 11.30 Uhr.
Rolf-Dieter Backhauß
Vorsitzender der SPD-Schöningen
Fotos: Karl-Heinz Dube